18 August 2007

Der affige Jesus.

Ich mach die Augen auf. Grelle Sonne brennt auf meiner Netzhaut. Überall Schnee. Gefühlte 43°C. Moment, das ist kein Schnee. Das ist weißer Sand! Wo bin ich? Und vor allem, wer bin ich?
Ein Blick nach unten verschafft Klärung. Ich bin ein Mann. Und wenn ich mir das da unten so anschau müsste ich eigentlich schwarz sein, bin ich aber nicht. Fürs erste binde ich mir einen alten Lappen, den ich am Strand gefunden habe, um die Lenden. Affig wie Tarzan mach ich mich dran die Insel - ich glaube jedenfalls dass es eine ist - zu erkunden. Überall Palmen, Kokosnüsse, leere Bacardi Flaschen, Zigarrenstummel. Da kommt es mir. Klarer Fall, ich bin auf Kuba!
Plötzlich hör ich eine grelle, bitterlich hässliche Stimme rufen: "Ey, Aaaaaalter - wie siehst du denn aus?" Ich dreh mich um und erblicke eine seltsame Laune der Natur. Adiletten, Pornosonnenbrille, Vokuhila - vorne blond gefärbt - und Schnauzbart. Nicht mal hier ist man vor den Ballermann-Atzen in Sicherheit. "Schaaakkelinnee! Komm ma her und kiek dir den alten Fatzke an! Macht hier einen auf jestrandeten Jesus."
"Schnell weg" denk ich mir, und schlag mich ins Gebüsch bzw. in den undurchdringbaren Dschungel. "Mist, undurchdringbar dieser Dschungel bzw dieses Gebüsch!"
Also zurück zum Strand und die Beine in die Hand um dem Pöbel zu entkommen. Nach 300m Sprint gibt er auf da seine Badelatschen ihn bei jedem Schritt behindern und seine Trulla ihn eh zurück am Pool haben will. Gemachen Schrittes wander ich den Strand entlang und mach mir ernsthaft Gedanken wer ich bin und wie ich hier hergekommen bin. Das letzte an das ich mich erinnern kann ist ein Tresorraum in einer Bank in Zürich. Und dann war da noch eine Frau aus Deutschland. Wenn ich nur wüsste aus welchem Land ich komme...
Da kam mir ein genialer Gedanke: wenn ich einen Testsatz spreche müsste ich hören welche Sprache ich spreche! Genial!
"Oachkatzenschweif." Hmmm...aus Bayern bin ich schon mal nicht.
"Dos bierra por mi." Spanien kanns auch nicht sein.
"Au secour, au secour! Arthur est un perroquet. C'est une rue à Paris."
Das ist es, ich bin Franzose! Das erklärt auch die langen Haare und den üblen Gestank den ich verbreite...und mein unglaubliches Verlangen nach Froschschenkel mit gestopfter Gänseleber...
Frohen Mutes schlag ich mich nochmal in den, diesmal nur fast undurchdringbaren, Dschungel.
Nach 30 Metern ist der Dschungel allerdings zu Ende und ich steh am Rand einer stark befahrenen, vierspurigen Straße. Auf der anderen Straßenseite seh ich an einer Hauswand in bunten Lettern prangen: "HOTEL D'AMOUR"
Da wird mir plötzlich einiges klar. Ich bin Franzose.

Die Straße zu überqueren war leichter als gedacht, Kubaner sind sehr hilfbereite Menschen und rücksichtsvolle Autofahrer. Jetzt steh ich in der Lobby des Hotels und schau mich verwundert um. Der Concierge sieht mich ebenso verwundert an. Ich lauf zu ihm an den Tresen und bimmel erst mal die lustige Glocke. "Bimm Bimm Bimm!"
"Mr. Tapette, what happend to you?" frägt er mich in gebrochenem Englisch.
"Er, I don't know, dude..." antworte ich in noch viel gebrochenerem Englisch - ich bin wirklich Franzose.
"You're wearing nothing but an old rag. It seems you were mugged by a cuban prostitute."
"Oh. Hmmm....yes. That's quite possible. I'm french. You know?"
"Yes, here is your key. Room 438. The presidential suite."
"The presidenti...."
"Yes, Mr. President!"
"Uhh la la"
Das war natürlich äußerst unangenehm. Ausgeraubt von einer kubanischen Nutte und halb nackt und besoffen am Strand. Und das als französischer Präsident.
Als ich endlich im Zimmer war und mich mit Aspirin vollgestopft hatte, wurde mir plötzlich einiges klar! Ich bin Franzose.

Und der Tresorraum in Zürich war nur das Themenzimmer im Puff um die Ecke.
Die deutsche Frau war Mandy le Fuck, die Puffmutter und gute Bekannte.
Der undurchdringliche Dschungel war wohl nur eine grüne Grenze zwischen Straße und Strand.
Und der Deutsche Assi - war ein deutscher Assi.

Wenn ich jetzt noch wüsste was ich hier in Kuba erledigen sollte wär alles geklärt...

Fin.

02 August 2007

Im Fieber...

1956, Kauksi, Estland


Der Wind fegte über den Peipusee und brachte, neben der eisigen Luft aus Russland, das Schiff immer näher an die estnische Küste. Die Männer an den Klamüser-Schotten waren in heller Aufregung; zwei scheinbar seekranke Weißkopfseeadler hatten sich in den Klamsen verfangen und das ganze Vordeck vollgekotzt. Da ich nur Gast auf dem Dreimaster war, dachte ich natürlich ich bin fein raus aus der Sache doch der erste Maat, Mr. Balzac, sah das wohl anders.

Er gab mir einen Löffel und eine Wäscheklammer um die Sauerei zu beseitigen. Ich nahm also die Wäscheklammer um erst einmal die Bröckchen aufzupicken.

Die Adler hatten ganz offensichtlich Robbe zum Frühstück…

Nachdem ich die restliche Suppe mit dem Löffel weggeschaufelt und den Boden penibel saubergeleckt hatte, war mir die Lust auf Schiffchenfahren gründlich vergangen.

Ein Flugzeug musste her.

Dumm nur dass ich ca. 200km vom nächsten internationalen Flughafen entfernt auf einem russischen Clubschiff rumtuckerte. Als wir zwei Tage später in Kauksi ankerten sprang ich wacker vom Schiff, schnappte mir das Moped eines armen Roggenbauerns, und düste hinfort.

Zufälligerweise kannte ich das estnische Straßennetz auswendig da ich drei Wochen zuvor den ADAC Autoatlas Europa inklusive Baltikum studiert hatte.

Meine Reise führte mich von Mustvee, am 166 Meter hohen Emumägi vorbei, über Imavere bis nach Paide.

In Paide war das berühmte baltische Volksfest Ihaumanoglnei in vollem Gange. Der Anlass des Festes klingt anfangs etwas obskur, doch hat man erst mal den Hintergrund des Treibens verstanden relativiert sich alles. Kurz zusammengefasst:

15 jährige Jungens hämmern sich Nägel durch die Hand und laufen freudig durch die Innenstadt.

Die ganze Hintergrundgeschichte zu erzählen würde den Rahmen sprengen…

Ich sah mir also die Jugendlichen an, die schreiend an mir vorbeiliefen, und nippte genüsslich an meinem 3-Liter Bier – kleiner gab’s nicht.

Sturzbetrunken erreichte ich vier Tage später Tallinn. Um Geld für meinen Flug zu ergattern verkaufte ich mein Moped an einen reichen Handyfabriksleiter, für 2000 estnische Kronen und zwei Nokia 6310.

Der Flug nach Ost-Berlin verlief ruhig, von dem Gegacker und Geschrei der Hennen mal abgesehen. Transportflugzeug eben.

Am Bert-Brecht-Flughafen angekommen, rief ich erstmal meinen Chef mit beiden Handys an und fragte ihn ob er nicht jemanden schicken könnte. Achmed war 30 Minuten später da und fuhr mich in seinem Trabant Turbo SZ87 in meine Villa am Stadtrand.

ENDE