02 August 2007

Im Fieber...

1956, Kauksi, Estland


Der Wind fegte über den Peipusee und brachte, neben der eisigen Luft aus Russland, das Schiff immer näher an die estnische Küste. Die Männer an den Klamüser-Schotten waren in heller Aufregung; zwei scheinbar seekranke Weißkopfseeadler hatten sich in den Klamsen verfangen und das ganze Vordeck vollgekotzt. Da ich nur Gast auf dem Dreimaster war, dachte ich natürlich ich bin fein raus aus der Sache doch der erste Maat, Mr. Balzac, sah das wohl anders.

Er gab mir einen Löffel und eine Wäscheklammer um die Sauerei zu beseitigen. Ich nahm also die Wäscheklammer um erst einmal die Bröckchen aufzupicken.

Die Adler hatten ganz offensichtlich Robbe zum Frühstück…

Nachdem ich die restliche Suppe mit dem Löffel weggeschaufelt und den Boden penibel saubergeleckt hatte, war mir die Lust auf Schiffchenfahren gründlich vergangen.

Ein Flugzeug musste her.

Dumm nur dass ich ca. 200km vom nächsten internationalen Flughafen entfernt auf einem russischen Clubschiff rumtuckerte. Als wir zwei Tage später in Kauksi ankerten sprang ich wacker vom Schiff, schnappte mir das Moped eines armen Roggenbauerns, und düste hinfort.

Zufälligerweise kannte ich das estnische Straßennetz auswendig da ich drei Wochen zuvor den ADAC Autoatlas Europa inklusive Baltikum studiert hatte.

Meine Reise führte mich von Mustvee, am 166 Meter hohen Emumägi vorbei, über Imavere bis nach Paide.

In Paide war das berühmte baltische Volksfest Ihaumanoglnei in vollem Gange. Der Anlass des Festes klingt anfangs etwas obskur, doch hat man erst mal den Hintergrund des Treibens verstanden relativiert sich alles. Kurz zusammengefasst:

15 jährige Jungens hämmern sich Nägel durch die Hand und laufen freudig durch die Innenstadt.

Die ganze Hintergrundgeschichte zu erzählen würde den Rahmen sprengen…

Ich sah mir also die Jugendlichen an, die schreiend an mir vorbeiliefen, und nippte genüsslich an meinem 3-Liter Bier – kleiner gab’s nicht.

Sturzbetrunken erreichte ich vier Tage später Tallinn. Um Geld für meinen Flug zu ergattern verkaufte ich mein Moped an einen reichen Handyfabriksleiter, für 2000 estnische Kronen und zwei Nokia 6310.

Der Flug nach Ost-Berlin verlief ruhig, von dem Gegacker und Geschrei der Hennen mal abgesehen. Transportflugzeug eben.

Am Bert-Brecht-Flughafen angekommen, rief ich erstmal meinen Chef mit beiden Handys an und fragte ihn ob er nicht jemanden schicken könnte. Achmed war 30 Minuten später da und fuhr mich in seinem Trabant Turbo SZ87 in meine Villa am Stadtrand.

ENDE

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

krasse geschichte man... wusste gar nicht dass du parallel auch noch in der weltgeschichte rumreißt.

hab gerade festgestellt, dass du nur 1,4km luftlinie von ner freundin von mir weg wohnst...

die welt ist so klein... und berlin wohl auch.

tsts

NDlicious hat gesagt…

Jaja, ich bin viel und weit gereist...:)
berlin ist anscheinend echt ziemlich klein, obwohl - ICH kenn sie ja gar nicht. Aber wenn du mal vorbeischauen willst...gerne!
Am 1.September wäre Freundeskreis...da hab ich zwar schon zwei Pappenheimer in meiner Buze aber watt solls? ;)

Anonym hat gesagt…

ja hammer, geiles angebot. aber ich hab wohl noch prüfung die woche drauf, so dass ich da wohl nicht die ruhe hab mal kurz deutschland zu queren...
aber danach... ja danach sieht das ganze schon ganz anders aus!