04 September 2007

Ein Tag im Leben des Herrn Kringer

Wie jeden Morgen um 6.00Uhr, wird Herr Kringer aus dem Schlaf gerissen.
Die Arbeit ruft – und die Alte neben ihm schnarcht.
So hat er sich das eigentlich nicht vorgestellt als er sie kennen lernte…das war auch schon eine halbe Ewigkeit her. Waren es 20 oder gar 25 Jahre? Auch egal, jetzt ist es eben wie es ist und er ist eigentlich ganz froh zur Arbeit gehen zu können.
Herr Kringer ist Hausmeister.
Das heißt er steht den ganzen Tag im Innenhof, schaut den Arbeitern beim renovieren der Fassade zu und brüllt in regelmäßigen Abständen seltsame Kommandos.
Kommandieren, das gefällt ihm. Major Kringer, ja das wär’s!
Wäre er 50 Jahre früher geboren worden, ja dann…
Zum Glück wurde ihm vom der Agentur für Arbeit ein HiWi zugeteilt der für ihn die Arbeiten verrichtet die eigentlich sein Job wären. Türen reparieren, Wohnungsabnahmen durchführen, Innenhof kehren und, und, und.
Jetzt steht er da und weiß nicht so recht was er mit sich anfangen soll.
Die Weißwürste aus dem Vierten haben auch schon lange nichts mehr von sich hören lassen.
100 Euro hat er ihnen für das Austauschen eines billigen Türblechs in Rechnung gestellt, und die haben das, wenn auch etwas verspätet, bezahlt! Seit dem hofft er ständig dass bald wieder etwas kaputt geht, vielleicht eine Steckdose…
Das Handy klingelt. Endlich!
„Herr Kringer, ich habe ein Problem“
Die Alte aus dem Zweiten mal wieder.
„Meine Katze hat ganz bösen Durchfall, und da ich nicht wusste wohin mit der Sauerei hab ich den stinkenden Lappen im Klo runtergespült. Jetzt hat sich das Wasser bis kurz unter die Klobrille gestaut und ich musste ganz dringend auch mal…“
„Frau Klotzkowski, sie haben also mit Durchfall eine Verstopfung erzeugt und damit das ganze Bad unter Wasser gesetzt….Respekt! Ich schick sofort meinen Zwangsarb…äh HiWi zu ihnen, der erledigt das.“
Der HiWi ist eine seltsame Gestalt von Mann: leicht gebückte Haltung, zerfurchtes Gesicht, ledrige Haut, lange verdreckte Fingernägel und mehr Lücken als Zähne im Mund.
Der Gestank den er verbreitet ist eine Mischung aus Schweiß, Furz, abgestandenem Rauch und einer Alkoholfahne, die er wohl lange antrainiert haben muss. Um so zu riechen muss eine Omi lange Stricken tun – oder mindestens eine Woche nicht duschen.
Nach einer kurzen, gegenstandslosen Standpauke schickt Herr Kringer ihn nach oben um die Sauerei zu beseitigen.
Kaum hat er das Bad betreten, assimiliert sich sein Duft mit dem des Badezimmers – er wird gewissermaßen eins mit ihm. In dieser heimeligen Atmosphäre arbeitet es sich doch gleich ein Stückchen angenehmer. Frau Klotzkowski, die ihm eben eine Tasse Kaffee ins Bad bringt, muss sich aufgrund des bestialischen Gestanks spontan übergeben und besudelt das sowieso schon ekelhafte Badezimmer noch weiter.
Claus Klinski, das ist der Name des HiWis, muss sich einen Lacher verkneifen und lässt den Druck ungewollt in Form eines Schurzes heraus. Peinlich berührt sehen sich die beiden an und ein kurzer Moment der peinlichen Stille tritt ein. Ein sehr langer kurzer Moment.
Während sich Frau Klotzkowski verlegen in ihre Küche zurückzieht löst Claus Klinski die Verstopfung in der Toilette und wischt die Sudelei notdürftig mit Klopapier weg.
Ohne seinem Schurz weiter Beachtung zu schenken macht er sich auf den Weg neue Befehle von Commandante Kringer entgegenzunehmen.
Der macht allerdings gerade Mittag, ist ja auch schon fast zwölf.
Als Claus das kleine Kämmerchen betritt schallen ihm infame Beschimpfungen entgegen, die er allerdings nur fetzenhaft versteht da Herr Kringer den Mund mit Mettbrötchen voll gestopft hat.
„…Grottengolum….Spackomack…..du….blöder….nichtsnutziger….“
Wie ein räudiger Hund zieht er sich zurück und verdrückt sich in die Kneipe um die Ecke.
Eine halbe Stunde später kommt er zurück um sich erneut beschimpfen lassen zu müssen.
„Faule Socke, wo warst du? Wenn ich das dem Amt melde bist du hier raus bevor du „aber“ sagen kannst! Ich arbeite schon wieder seit mindestens einer halben Stunde! Diese Arbeitsmoral werde ich nicht länger so durchgehen lassen!“
„Aber…“
„Nichts aber, ab, hoch aufs Gerüst und schrubben!“
Ohne Erwiderung klettert er die Leiter hoch und versucht das Gerüst von den Mörtelbröckchen zu befreien. Herr Kringer grinst hinterfotzig und macht sich an die Arbeit. Wenn er doch bloß was zu tun hätte… Er verzieht sich erst mal in die genannte Kneipe und kippt sich ein paar Bierchen hinter die Binde, um eine Stunde später angetrunken und mies gelaunt Claus Klinski weiter zu piesacken.
„Die Restmülltonnen müssen noch sortiert werden, irgendjemand trennt hier Bio- und Restmüll nicht voneinander…“
Am späten Nachmittag, Herr Kringer sitzt im Innenhof und schreit wilde Befehle, kommt Ignaz Juhde durch den Hof geschlurft. Sein Kunststudium scheint ihn ziemlich zu stressen, er isst eigentlich kaum noch – seine Hauptnahrung besteht aus Kaffee und Zigaretten. Man fragt sich wie er es schafft seine schwere Hornbrille auf der Nase zu tragen.
„Aha, sieh an. Der Herr Student kehrt von seiner schweren Arbeit nach Hause. Heute wieder schöne bunte Bildchen gemalt? 26 Jahre alt und lebt immer noch auf Muttis kosten – so ein Leben hätte ich auch gerne. Ich arbeite wenigstens für mein Geld und mach was Vernünftiges. Kunst. Was will man denn da später mal werden?“
Viel zu fertig und überrumpelt um auf solche Anfeindungen zu reagieren, lächelt Ignaz nur gezwungen und schlurft die Treppe zum fünften Stock hoch.
Ermutigt von seinem rhetorischen Sieg gegen einen Akademiker macht sich Herr Kringer auf um nach Claus Klinski zu sehen. Wo steckt der nur schon wieder?
Ach ja, die Restmülltonne…
Während Claus eifrig alte Bananenschalen von klebrigem, schmierigem Etwas trennt, berichtet ihm Herr Kringer stolz von seiner Heldentat, natürlich nicht ohne ihm währenddessen zu befehlen schneller zu sortieren.
Nachdem Claus die Sortierung abgeschlossen hat entlässt Herr Kringer ihn mit einem verbalen Arschtritt in den Feierabend.
Pünktlich um 18.00Uhr sitzt Herr Kringer zu Hause am Tisch und wartet ungeduldig aufs Abendessen.

Allerdings ohne ein Wort der Beschwerde, seine Frau ist ihm ebenbürtig – mindestens.

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